Im monatlichen Infodienst der KJS Nord erscheint momentan die Serie: Leuchttürme - Best practice Beispiele aus den Jugendwerkstätten in Niedersachen. Natürlich sind auch wir dabei:
A + W Sozialwerk der KAB/CAJ e.V.
Das A + W Bildungszentrum im Emsland stellt sich vor!
Respekt - Bildung – Chance
Jeder Mensch in unserer Gesellschaft findet einen anerkannten Platz, an dem er sich persönlich und beruflich entwickeln und aktiv am Gemeinwohl mitarbeiten kann.
Wir bei A + W engagieren uns seit 1984 erfolgreich für marktgerechte Qualifizierung und dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt. Dazu gehören Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung, Coaching, Jugendwerkstätten, Berufsvorbereitung, Bewerbungstraining und zertifizierte Maßnahmen nach AZAV. Das A + W Bildungszentrum ist eine Facheinrichtung zur sozialen und beruflichen Integration benachteiligter Menschen durch effektive Qualifizierungsangebote und exzellente Vermittlungshilfen. Alle Förderschritte zielen auf eine möglichst dauerhafte Integration in den regulären Arbeitsmarkt. Der Verein mit Sitz in Sögel/Emsland wird getragen von den katholischen Sozialverbänden KAB und CAJ im Bistum Osnabrück. A + W verfügt über Geschäftsstellen in Sögel, Papenburg und Meppen und engagiert sich für eine gute berufliche Zukunft benachteiligter Menschen am Arbeitsmarkt. Unsere Vision: „Jeder in unserer Gesellschaft findet einen anerkannten Platz, an dem er sich nach seinen Stärken persönlich und beruflich entwickeln und aktiv am Gemeinwohl mitarbeiten kann.“
Ziel aller Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ist die Vermittlung in den regulären Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Eine sehr gute Integrationsquote von fast 70% in den regulären Arbeitsmarkt erreichen wir nicht nur durch marktgerechte Ausbildung und Qualifizierung in den A+W eigenen Werkstätten, sondern auch durch betriebliche vermittlungsorientierte Erprobungen in den Betrieben der Region. A + W hat ein multiprofessionelles 43-köpfiges Mitarbeiterteam mit folgenden Professionen: Psychologen*innen, Sozialpädagogen*innen und systemische Berater*innen, Fachingenieure*innen, Ausbilder*innen in 8 verschiedenen Berufen, Förderlehrer*innen, Bewerbungstrainer*innen und Arbeitspädagog*innen. Aufgrund dieser Vielseitigkeit sind individuelle, dem Entwicklungsstand und den Ressourcen der Teilnehmenden entsprechende Förderungen möglich. Momentan verfügt das Bildungszentrum über 291 Maßnahmeplätze. Pro Jahr belegen mehr als 900 Teilnehmer*innen diese Plätze, die von unseren Auftraggebern: Agentur für Arbeit, Landkreis Emsland, Land Niedersachsen und der Europäische Union zur Verfügung gestellt werden.
Neben der fachlichen Qualifizierung bietet das A + W Bildungszentrum auch ein maßnahmeübergreifendes Sportprogramm im eigenen Sportgebäude mit Außenanlage und Soccer-Court an. Neben dem körperlichen Training werden hier im Niedrigseilgarten auch Sozialkompetenzen wie Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fairness trainiert. Auch die Schulung von Alltagskompetenzen wie z.B. eine Arbeitsgemeinschaft Ernährung ist Bestandteil in den Maßnahmen.
Das A + W Bildungszentrum ist ein christliches Haus. Orientiert an der katholischen Soziallehre machen wir uns stark für gleiche Lebenschancen, besonders für die Teilhabe an Arbeit und Bildung. Frei nach unserem Motto: Mach` aus dir, was in dir steckt!
Dieses Motto hat auch Stefan verinnerlicht. Stefan ist 17 Jahre alt und in unser A+W Jugendwohnen gezogen, um eine selbstständige Lebensführung zu erlernen. Im Vorfeld haben einige Konfliktsituationen zu einer persönlichen Krise geführt. Das Zusammenleben im Haushalt funktionierte nur noch schwer, sodass Motivation, Zuverlässigkeit und soziale Kompetenzen dadurch geschwächt worden sind. Im Zuge dessen sind berufsorientierende Maßnahmen an seinem vorherigen Wohnort beendet worden. Eine Kette negativer Erfahrungen führte dazu, dass Stefan eine neue Perspektive aufbauen musste. Durch das A+W Jugendwohnen ist ihm die Chance gegeben worden, sich in einer begleiteten Wohnform ein eigenständig geführtes Leben zu ermöglichen. Da die finale berufliche Orientierung noch ausstand, ist in diesen Fällen die Teilnahme an einer der A+W Jugendwerkstätten möglich. Dadurch bekommt er die Möglichkeit, seinen Alltag zu strukturieren und die berufliche Orientierung voranzutreiben. Schnell wird deutlich, dass zu Beginn der Fokus auf die Aktivierung und persönliche Stabilisierung liegt. In Förderplangesprächen macht er deutlich, dass er Interesse an der Tischlerei hat und sich dort beruflich qualifizieren will. Eine GEVA-Testung als Potentialanalyse hat ebenfalls ergeben, dass sich seine Neigungen und Interessen mit dem Beruf des Tischlers decken. Nach einer erfolgreichen Anfangsphase und dem Zugewinn an Motivation und Zuverlässigkeit, startete die berufliche Qualifizierung in unserer Tischlerei. Es lässt sich erkennen, dass Stefan sich wohl fühlt. Er ist täglich in Vollzeit anwesend und hat nur wenige Fehltage. Die Rückmeldungen der Anleiter sind durchweg positiv. Stefan hat sich daraufhin entschieden, eine betriebliche Lernphase zu absolvieren. In zwei Wochen hatte er die Möglichkeit in einer Tischlerei in der Nähe erste betriebliche Erfahrung in einem Betrieb zu sammeln.
Besonders die Arbeit im Netzwerk sorgt für einen zielgerichteten Verlauf der Maßnahmen. Die Mitarbeiterin des Fachbereichs Jugend des Landkreises Emsland, die Fachkräfte der Jugendwerkstatt und des Jugendwohnens besprechen mit Stefan seine persönlichen Wünsche zur beruflichen Zukunft. Er äußert den Wunsch, eine Ausbildung in der Tischlerei des A+W Bildungszentrums zu absolvieren. Durch die enge Kooperation mit der Beratung für berufliche Rehabilitation und Teilhabe der Agentur für Arbeit Nordhorn ist eine Förderung geprüft und bestätigt worden, sodass Stefan nach viermonatiger Teilnahme an der Jugendwerkstatt eine Ausbildung zum Tischler beim A+W Bildungszentrum im Rahmen der vergleichbaren Einrichtungen nach § 51 SGB IX beginnen kann.
Es lässt sich erkennen, dass verlässliche Strukturen immens wichtig für Jugendliche sind. Die sinnvolle Gestaltung eines Alltags, das Erlernen angemessener Konfliktlösungen, die enge Kommunikation mit allen beteiligten Fachkräften bilden ein Fundament gut gelingender Eigenständigkeit der jungen Menschen.
Zur sinnvollen Gestaltung des Alltags finden neben den genannten Angeboten auch komplementäre Tagesprojekte, Tagesbildungsfahrten und Bildungsveranstaltungen statt. Auch Stefan hat von diesen Angeboten profitiert.
Diese Veranstaltungen werden regelmäßig im Laufe eines Kalenderjahrs durchgeführt. Die Art und Themenschwerpunkte werden partizipativ mit den Teilnehmenden abgesprochen und an ihren Interessen und Bedürfnissen ausgerichtet.
Neben Betriebsbesichtigungen fanden zuletzt Präventionstage des Polizeikommissariats, des SKF und der Diakonie statt. Behandelte Themen waren unter anderem „Rechte und Pflichten – auch im Netz", „Legalisierung von Cannabis", „Sexuelle Aufklärung und STI" sowie „Suchprävention".
In Anlehnung an den allgemeinbildenden Unterricht konnte unter dem Aspekt politischer Bildung der Landtag Hannover besichtigt und Interviews mit Politiker*innen geführt werden. Auch der Besuch einer Gedenkstätte mit einer Schüler*innengruppe gehörte dazu.
Die positive Rückmeldung aus der Gruppe der Teilnehmenden bestärkt unser Team immer wieder, auch in Zukunft mit externen Veranstaltern zusammenzuarbeiten und Bildungsangebote zu schaffen.
Die Wichtigkeit dieser Programme wird durch die Lebensläufe und Gespräche der Teilnehmenden und Schüler*innen deutlich. Denn die Mehrheit der Schüler*innen, die ihre Schulpflicht alternativ im Projekt Jugendwerkstatt oder in der Maßnahme Werk-statt-Schule erfüllen, wechselte aufgrund vorherrschender Schulmüdigkeit und Schulabstinenz zu uns.
Durch das neue Umfeld beim A+W Bildungszentrum, können sich die Teilnehmenden in einem kleinen Rahmen praktisch betätigen und ohne Druck Erfolgserlebnisse sammeln. Dadurch findet eine Stabilisation statt und Alltagsstrukturen werden aufgebaut. Auch die aktive Teilnahme an Unterrichtseinheiten steigt an.
Finden nun beim A+W Bildungszentrum Tagesbildungsfahrten und Veranstaltungen statt, erreichen wir eben jene bildungsfernen Jugendlichen. Während unsere Bildungsveranstaltungen berichten die Teilnehmer*innen dann, dass sie zuvor unwissend waren und sich nun weiter mit behandelten Themen beschäftigen werden.
Es ist immer wieder erschreckend festzustellen, dass sich diese jungen Menschen erst im Rahmen der Jugendwerkstatt mit politischer und gesundheitlicher Bildung auseinandersetzen.
In Anbetracht dessen ist es wichtig, neben dem Aspekt Bildung auch die individuelle Entwicklung und Veränderung der Teilnehmendengruppe in unserer Jugendwerkstatt anzusprechen. Denn in den vergangenen Jahren hat sich die Zusammensetzung der Teilnehmer*innen in der Jugendberufshilfe signifikant verändert.
In unserer Jugendwerkstatt benötigt ein Großteil der Teilnehmenden eine Verlängerung der Zuweisungszeit. Zu den Gründen zählen vermehrt diverses psychische Probleme und Erkrankungen.
Die langen Wartezeiten von aktuell etwa 19 Wochen für einen Therapieplatz (vgl.: Deutscher Bundestag 2022: S. 12) und die ländlichen Strukturen mit sehr beschränkten öffentlichen Verkehrsmittel belasten besonders junge Menschen aus benachteiligten Familien. Diese Warteposition stellt in den meisten Fällen eine enorme Belastungssituation für die Betroffenen dar. So zählt die Jugendwerkstatt als Erste Anlaufstelle.
Ganz im Sinne von unserem Motto: „Alles aus einer Hand“ konnte das A+W Bildungszentrum eigene therapeutische Angebote implementieren. So können wir den Teilnehmenden der Jugendwerksatt neben den beruflichen und pädagogischen Angeboten eine regelmäßige Kinder- und Jugendpsychotherapeutische Betreuung, sowie eine psychologische Beratung anbieten. Weiter bauten wir unser Netzwerk aus und arbeiten eng mit Jugendpsychiatrien zusammen, damit eine Wiedereingliederung in den Arbeits- und Schulalltag gelingen kann.
Bei Bedarf kann zunächst auch eine individuelle Tagesgestaltung ermöglicht werden. Hier ist Beispielsweise unser Teilzeit Arbeitsbereich Trainee zu nennen. Dieser ist niederschwelliger und ermöglicht den Teilnehmenden einen leichten Einstieg in die berufliche Qualifizierung. All unsere Angebote sollen die jungen Menschen befähigen ihre persönlichen und beruflichen Ziele innerhalb der Maßnahme zu erreichen.
Die Jugend ist unsere Zukunft. Es liegt an uns, ihnen die Unterstützung anzubieten die sie benötigen, um verantwortungsbewusste mündige Gestalter ihres eigenen Lebens zu werden.
Um sicherzustellen, dass sich die Teilnehmenden persönlich und beruflich weiterentwickeln, ist es entscheidend, pädagogische und therapeutische Elemente zu integrieren. Die praktische Arbeit in den Arbeitsbereichen und die pädagogische Unterstützung sollte von therapeutischen Elementen flankiert werden, um den komplexen Bedürfnissen der Teilnehmenden gerecht zu werden. Nur ein ganzheitliches Unterstützungskonzept wird zum Erfolg führen!
Quelle:
Deutscher Bundestag (15.09.2022): Dokumentation Wartezeiten auf eine Psychotherapie; S. 12; Aktenzeichen WD 9 -3000- 059/22